DER KANDIDAT MARTIN HORN
StadtBESTEN: Herr Horn, was macht Freiburg für Sie lebenswert?
Martin Horn: Freiburg hat einen einzigartigen Charakter – an der Dreisam gelegen, am Schwarzwald, inmitten des Dreiländerecks. Freiburg ist einfach eine tolle Stadt! Menschlich, kulturell, bunt, weltoffen, sportlich und einfach mit wahnsinnig viel Charme.

Foto-Credit: Fionn Gorilla
StadtBESTEN: Wieso kandidieren Sie als Oberbürgermeister?
Martin Horn: Bei der letzten OB Wahl haben mehr als die Hälfte aller Freiburger*innen nicht gewählt, das finde ich schade. Ich wünsche mir, dass Kommunalpolitik wieder sexy wird und mehr Leute interessiert. Weil hier über konkrete Dinge mit direkten Auswirkungen entschieden wird. Weil politisches Mitmachen für unsere Demokratie wichtig ist. Weil der Gemeinderat nicht abstrakt agiert, sondern über grundlegende Weichenstellungen diskutiert und entscheidet.
Freiburg steht vor großen Herausforderungen: Immer weniger Menschen finden eine bezahlbare Wohnung, Grünflächen und Räume der Begegnung verschwinden, wir sind Kriminalitätshauptstadt, es fehlt an weiterführenden Konzepten im Bereich Mobilität und Digitalisierung. Und vor allem: Viele Freiburger*innen fühlen sich von der Stadtspitze nicht mehr wahr und ernst genommen.
Diese Herausforderungen müssen heute angegangen werden – entschlossen, aktiv, innovativ. Denn ich möchte, dass Freiburg seinen Charme nicht weiter verliert. Dafür reicht ein „Weiter so“ nicht. Freiburg braucht einen Politikwechsel mit frischem Wind und neuen Ideen. Mit meinem kommunalpolitischen Fachwissen, meinem sozialen Wertekompass und meiner überregionalen und europäischen Perspektive möchte ich als Oberbürgermeister Freiburg voran bringen.

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StadtBESTEN: Welchen Einfluss haben Ihre Weltreise sowie Ihre Arbeit bei Greenpeace auf Ihre aktuellen Ansichten?
Martin Horn: Die Erfahrungen und Begegnungen während meiner Weltreise haben mich geprägt. Ich habe die Welt, aber auch mich selbst viel besser kennengelernt. Die Zeit in Südostasien, Ozeanien und Südamerika war grandios. Aber auch darüber hinaus war ich viel unterwegs. Unter anderem habe ich im Nahen Osten und im südlichen Afrika studiert. Gleichzeitig habe ich durch die Zeit in der Ferne auch unser eigenes Land noch mehr schätzen gelernt.
Nicht erst seit meiner Arbeit bei Greenpeace Neuseeland haben Nachhaltigkeit, Artenvielfalt und der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlage einen ganz besonderen Stellenwert in meinem Werteverständnis. Wir alle tragen Verantwortung für unseren Planeten und jede und jeder kann und muss einen Beitrag zu seinem Erhalt und Schutz leisten. Als Einzelperson, aber auch als Stadt. Für mich bedeutet Nachhaltigkeit Generationengerechtigkeit.
StadtBESTEN: Bei einer erfolgreichen Wahl, wären Sie der aktuell jüngste Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt. Sehen Sie das eher als Vor- oder als Nachteil?
Martin Horn: Meiner Meinung nach ist das ein klarer Vorteil. Leider interessieren sich tendenziell momentan weniger junge Menschen für Politik – noch weniger für die kommunale Ebene. Viele fühlen sich von Politiker*innen nicht gehört und verstanden. Zudem sind politische Prozesse oft zu abstrakt.
Weil Politik viel zu oft von Menschen gemacht wird, die – salopp gesagt – ihre Jugend weit hinter sich gelassen haben. Durch mein Alter weiß ich eher, wie junge Menschen denken, wofür sie sich interessieren und was ihre Interessen, Anliegen und Probleme sind. Ich möchte, dass die Stimmen von jungen Menschen (wieder) mehr Gehör finden. Das geht aber nur, wenn wir jungen Menschen selbst entscheiden lassen, welche Mitmachformate für sie passen. Nicht von oben entscheiden, sondern gemeinsam neue Ideen entwickeln. Und gleichzeitig umfasst meine Politik gleichermaßen auch die älteren Semester.

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DIGITALISIERUNG IN FREIBURG
StadtBESTEN: Wie gehen Sie mit dem Thema Digitalisierung um?
Martin Horn: Digitalisierung ist ein zentrales Thema in meinem Wahlkampf. Digitalisierung ist keine leere Phrase, sondern betrifft unser tägliches Leben ganz konkret. Digitalisierung integriert viele Bereiche, unter anderem Energie, Mobilität, Raummanagement, eine modernde Verwaltung, Start-Ups sowie auch Medienkompetenz. Sowohl für Jung als auch Alt. Digitalisierung bedeutet nicht, dass wir Menschen abhängen oder alle Kinder Smartphones bekommen sollen. Medienkompetenz wie auch Datensicherheit spielen hier zentrale Rollen. Gerade daher müssen wir heute die Weichen für morgen stellen – und hier muss Freiburg dringend aufholen.
StadtBESTEN: Wie sieht die Situation in Freiburg aus?
Martin Horn: Im Rahmen meiner Stadtteilwochen bin ich in ganz Freiburg unterwegs – in allen Stadtteilen. Wir haben im Bereich Digitalisierung viel Nachholbedarf und liegen im Vergleich in Baden-Württemberg weit hinten. In Munzingen habe ich mit einer vierfachen Mutter gesprochen, die gerne von zuhause arbeiten möchte. Doch das Internet ist in vielen Gebieten zu langsam, bei ihr Zuhause sind es 1.6 Mbit/s, also keine Chance auf Home Office. Hier hat Digitalisierung eine klare Familienperspektive.
Freiburg hat keine Digitalisierungsstrategie, keine zentrale Abteilung für Digitalisierung, keine verNETZende Stelle für diesen wichtigen Querschnittsbereich, obwohl aktuell vielseitige Förderoptionen von Landes-, Bundes- und EU-Ebene bestehen. Hier müssen wir schnell aufholen, das werde ich ändern.
StadtBESTEN: Wie stehen Sie zum Thema Internet und kostenloses WLAN in Freiburg?
Martin Horn: Ich finde, kostenloses WLAN in städtischen Gebäuden – oder auch in Straßenbahnen – sollte für eine Stadt des 21. Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit sein.

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FREIBURG – DIE STUDENTENSTADT
StadtBESTEN: In Freiburg leben immer mehr Studierende, doch das Angebot an Ausgehmöglichkeiten schrumpf und wird begrenzt durch Sperrstunde, Tanzverbote usw. Was ist Ihre Meinung dazu?
Martin Horn: Freiburg ist die jüngste Stadt Deutschlands. Das Angebot für junge Menschen zum Ausgehen, Feiern und Tanzen muss erhalten bzw. eher sogar deutlich gestärkt werden. Klar: Ruhestörungen und Verschmutzungen sind nicht zu akzeptieren. Doch bei einer Sperrstunde werden alle Feiernden zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Straßen getrieben. Das finde ich kontraproduktiv. Von einem Tanz- oder Alkoholverbot halte ich wenig. Ich glaube, diejenigen, die so etwas lautstark fordern, vergessen leicht, dass auch sie mal jung waren und die Tanzfläche erobert haben.
StadtBESTEN: Wie erreicht man diejenigen Studenten, die in Freiburg für ihr Studium nur kurz „auf der Durchreise“ sind und möglicherweise nur wenig Bezug zur Lokalpolitik haben?
Martin Horn: Das ist eine Herausforderung, die Freiburg aber auch viele andere Städte mit einem hohen Anteil von Studierenden haben. Ich wünsche mir, dass Kommunalpolitik stärker als die entscheidende Ebene wahrgenommen wird, gerade von jungen Menschen. Kommunalpolitik betrifft das tägliche Leben vor Ort und ist gleichzeitig total unsexy. Das möchte ich ändern und wieder mehr Menschen für die entscheidende politische Ebene des täglichen Lebens begeistern. Schließlich geht es um die Entwicklung unserer Stadt.
WOHNRAUMPROBLEMATIK IN FREIBURG
StadtBESTEN: Freiburgerinnen und Freiburgern oder denjenigen, die es gerne werden wollen, fällt es schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Welche Maßnahmen müssen Ihrer Meinung nach getroffen werden, um die Wohnungsnot zu bekämpfen?
Martin Horn: Drei konkrete Forderungen für mehr bezahlbaren Wohnraum in Freiburg.
Erstens: Als OB werde ich automatisch Aufsichtsratsvorsitzender der Freiburger Stadtbau und möchte sie zum Kerninstrument für bezahlbaren Wohnraum machen. Ich will die Stadtbau als Aufsichtsratsvorsitzender neu ausrichten. Klarer Fokus auf bezahlbare Wohnungen, nicht mehr – aber eben auch nicht weniger. Wir brauchen keine Luxusprojekte wie Reihenäuser für 798.000 Euro in Günterstal, sondern faire Mieten. Luxus kann Unmüssig bauen, nicht die Stadtbau.
Zweitens: Wir müssen dafür eintreten, dass Freiburg seine eigenen Flächen und Immobilien nicht fortlaufend verkauft, sondern bewahrt und wo möglich weitere Flächen ankauft, um dort günstigen Wohnraum zu schaffen. Eine soziale und vorausschauende Liegenschaftspolitik fehlt aktuell. Überall wo wir verkaufen, verlieren wir an Einfluss. Zudem werde ich stärker darauf achten, dass wir enger mit Genossenschaften und sozialen Bauträgern zusammenarbeiten.
Drittens: Ich werde ein Leerstandskataster einführen. An verschiedenen Stellen sieht man Häuser, Wohnungen oder brach liegende Bauflächen, die ungenutzt sind. Freiburg hat aktuell keine klare Übersicht über Leerstand in der Stadt. Ein Leerstandskataster ist ein wichtiger, wenn auch nur erster Schritt, um anschließend konkreter agieren zu können.

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ALLGEMEINE UND WIRTSCHAFTLICHE NACHHALTIGKEIT
StadtBESTEN: Freiburg gilt als eine der grünsten Städte Deutschlands. Kann bzw. muss Freiburg noch grüner werden?
Martin Horn: Wenn man sich Freiburg von oben anschaut, ist Freiburg eine grüne Stadt wegen seines grünen Umlandes. Betrachtet man jedoch den Stadtkern ist Freiburg nicht grüner als andere vergleichbare deutsche Städte. Im Gegenteil: Durch Neubauten und Nachverdichtung in den letzten Jahren hat Freiburg wichtige Grünflächen und Naherholungsgebiete im Inneren verloren. Damit Freiburg seinen Charme nicht verliert, müssen solche Grünflächen bewahrt werden und bei neuen Bauprojekten – insbesondere bei der Planung von Dietenbach – stärker berücksichtigt und entsprechend eingeplant werden. Wichtig ist hier vor allem Kleingärten zu bewahren. Sie sind innerstädtische, grüne Oasen und gerade als Ausgleich von großer Bedeutung – auch für das soziale Miteinander.
StadtBESTEN: In welche Richtung entwickelt sich Freiburg bzw. Freiburgs Wirtschaft?
Martin Horn: Freiburg ist Dienstleistungsstadt. Tourismus spielt eine wichtige Rolle. Ich wünsche mir eine vielfältige, lebendige Innenstadt, in der es nicht nur große Ketten gibt, sondern viele Einzelhändler*innen und Kleingewerbe. Das macht einen großen Teil von Freiburgs Charme aus. Daher müssen wir gerade den Inhaber*innen geführten Einzelhandel stärken.

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StadtBESTEN: In eigener Sache: Wie sollte Ihrer Meinung nach die Entwicklung der Freiburger Start-up-Szene aussehen?
Martin Horn: Ich bin der festen Überzeugung: Im Start-Up-Bereich und der Gründer*innen-Szene hat Freiburg enormes Potenzial, das bislang zu wenig genutzt wurde. Ihr als Stadtbesten habt bewiesen, wie es gehen kann.
Einiges wurde jüngst angestoßen, hier geht jedoch noch mehr. Ich möchte, dass Freiburg für Start-Ups und Gründer*innen attraktiver wird – durch die passende Infrastruktur, schnelles Internet aber auch durch geeignete (Frei-)Räume für Begegnungen, kreativen Austausch und Co-Working.
Wir bedanken uns bei Martin Horn recht herzlich für das Interview und hoffen auf eine rege Beteiligung der Freiburgerinnen und Freiburger bei der bevorstehenden Oberbürgermeisterwahl am 22. April 2018.